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  • Anfechtung eines Lohnsteuer-Haftungsbescheids mit gleichzeitiger Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung

    15.05.23

    Wird in einem Lohnsteuer-Haftungsbescheid zugleich auch der Vorbehalt der Nachprüfung für die Lohnsteuer-Anmeldungen aufgehoben, ist in einem anschließenden Einspruch gegen den Lohnsteuer-Haftungsbescheid nicht zugleich auch ein Einspruch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung zu sehen. Dies hat zur Folge, dass die Festsetzung der Lohnsteuer bestandskräftig wird und nicht mehr geändert werden kann.

    Hintergrund: Lohnsteuer-Anmeldungen stehen nach dem Gesetz grundsätzlich einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich und können daher bis zum Eintritt der Verjährung unproblematisch geändert werden. Der Vorbehalt der Nachprüfung kann aber ausdrücklich aufgehoben werden, so dass er damit entfällt. Führt der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vollständig ab, kann gegen ihn ein Lohnsteuer-Haftungsbescheid erlassen werden.

    Sachverhalt: Der Kläger war Arbeitgeber und gab Lohnsteuer-Anmeldungen ab, die sowohl Fehler zu seinen Gunsten als auch Fehler zu seinen Ungunsten enthielten. Die Fehler wurden zunächst nicht bemerkt, so dass die Lohnsteuer-Anmeldungen als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung galten. Es kam dann zu einer Lohnsteuer-Außenprüfung, in der der Prüfer verschiedene Reisekostenerstattungen beanstandete, die der Kläger zu Unrecht als lohnsteuerfrei behandelt hatte. Das Finanzamt erließ am 31.10.2012 aufgrund der Lohnsteuer-Außenprüfung zwei Lohnsteuer-Haftungsbescheide gegen den Kläger: Ein Haftungsbescheid enthielt ein Leistungsgebot, d.h. eine Zahlungsaufforderung, der andere Haftungsbescheid enthielt kein Leistungsgebot. In dem Haftungsbescheid mit Leistungsgebot hob das Finanzamt zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung für die Lohnsteuer-Anmeldungen auf. Der Kläger legte innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch gegen die beiden Haftungsbescheide ein. Nachdem das Einspruchsverfahren gegen den Haftungsbescheid mit Leistungsgebot beendet worden war, stellte der Kläger fest, dass er zu viel Lohnsteuer angemeldet hatte. Er beantragte nun die Änderung der Lohnsteuer-Anmeldungen zu seinen Gunsten.

    Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

    • Zwar können Lohnsteuer-Anmeldungen grundsätzlich jederzeit geändert werden, weil sie kraft Gesetzes unter einem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Dieser Vorbehalt der Nachprüfung war vom Finanzamt aber im Haftungsbescheid mit Leistungsgebot aufgehoben worden.

    • Der Kläger hatte gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung keinen Einspruch eingelegt, sondern nur gegen die Haftungsbescheide. Da sich der Wortlaut des Einspruchsschreibens und auch die Begründung des Einspruchs nur auf die Lohnsteuer-Haftungsbescheide bezog, kann der Einspruch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sich der Kläger auch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung richten wollte.

    Hinweise: Dem Kläger half es nicht, dass die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung in dem Haftungsbescheid mit Leistungsgebot erfolgt war, den der Kläger angefochten hatte. Denn es handelte sich um einen sog. Sammelbescheid, der zwei selbständig anfechtbare Verwaltungsakte enthielt: zum einen den vom Kläger angefochtenen Haftungsbescheid und zum anderen die nicht angefochtene Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung. Der Kläger hätte seinen Einspruch also auch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung richten müssen; er hätte dann uneingeschränkt alle Einwendungen gegen die Höhe der Lohnsteuerfestsetzung vorbringen können.

    Quelle: BFH, Urteil v. 15.2.2023 - VI R 13/21; NWB

  • Körperschaftsteuerbefreiung für Arbeitsgemeinschaften "Medizinischer Dienst der Krankenversicherung"

    12.05.23

    Die Arbeitsgemeinschaften „Medizinischer Dienst der Krankenversicherung“ sind körperschaftsteuerfrei, wenn sie die ihnen durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen. Hierzu gehören neben den medizinischen Aufgaben wie z.B. der Einzelfallbegutachtung auch die Erhebung, Übermittlung und Speicherung von Sozialdaten; dies umfasst auch Archivierungsleistungen, wenn die Archivierungsleistung bei einem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erbracht werden würde.

    Hintergrund: Nach dem Gesetz sind die Arbeitsgemeinschaften „Medizinischer Dienst der Krankenversicherung“ und der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie nicht in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet sind und soweit sie Aufgaben wahrnehmen, die ihnen durch Gesetz zugewiesen sind. Weitere Voraussetzung ist, dass das Vermögen und etwa erzielte Überschüsse nur zur Erreichung der genannten Zwecke verwendet werden.

    Sachverhalt: Im Streitfall ging es um einen Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in der Rechtsform eines Vereins. Der Verein wurde von dem Medizinischen Dienst eines Bundeslandes beauftragt, dessen Gutachtenakten zu archivieren und zu digitalisieren. Das Finanzamt behandelte den Verein als körperschaftsteuerpflichtig.

    Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hält eine Körperschaftsteuerbefreiung des Vereins für möglich, hat die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen:

    • Die Körperschaftsteuerbefreiung hängt davon ab, dass der Verein Aufgaben wahrgenommen hat, die ihm durch Gesetz zugewiesen worden sind.

    • Zu den gesetzlichen Aufgaben eines Medizinischen Dienstes Krankenversicherung gehören zum einen die Einzelfallbegutachtung, Prüfungen und die Beratung. Zum anderen muss er auch Aufgaben im Bereich des Datenschutzes wahrnehmen, für die es der Erhebung, Übermittlung und Speicherung von Sozialdaten bedarf.

    • Das FG muss nun aufklären, ob die vom Verein erbrachten Archivierungsleistungen zu den gesetzlichen Aufgaben gehörten. Dies wäre der Fall, wenn die Archivierungsleistungen bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erbracht würden. Hingegen würden die Archivierungsleistungen nicht zu den gesetzlichen Aufgaben gehören, wenn sie bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen eines sog. Hoheitsbetriebs erfolgen würden.

    Hinweise: Nach dem Urteil bleibt unklar, wie das FG die gedankliche Zuordnung der Archivierungsleistungen zu einem Betrieb gewerblicher Art oder aber zu einem Hoheitsbetrieb vornehmen soll. Sollte es zu der Auffassung gelangen, dass die Archivierungsleistungen bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erbracht würden, müsste es in einem zweiten Schritt prüfen, ob der Verein das Vermögen und etwaige Überschüsse nur zur Erreichung der Zwecke der Steuerbefreiung verwendet hat – nur dann wäre die Körperschaftsteuerbefreiung zu gewähren.

    Die Körperschaftsteuerbefreiung für Arbeitsgemeinschaften „Medizinischer Dienst der Krankenversicherung“ will eine unterschiedliche, von der Rechtsform abhängige steuerliche Behandlung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung verhindern; der Medizinische Dienst wird in den alten Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts und in den neuen Bundesländern als eingetragener Verein geführt. Bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts kam es nur dann zu einer Körperschaftsteuerpflicht, wenn sie einen Betrieb gewerblicher Art unterhielt; anderenfalls ist sie steuerfrei, während ein Verein grundsätzlich steuerpflichtig ist. Die Steuerbefreiung gilt nun für solche Medizinischen Dienste der Krankenversicherung, die nicht in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet worden sind, sondern z.B. als Verein.

    Quelle: BFH, Urteil v. 15.12.2022 - V R 12/21; NWB

  • Wegzugsbesteuerung bei vorübergehendem Umzug ins Ausland

    10.05.23

    Gibt ein Steuerpflichtiger, der an einer GmbH mit mindestens 1 % beteiligt ist, seinen Wohnsitz in Deutschland auf, muss er zwar im Rahmen der sog. Wegzugsbesteuerung den Wertzuwachs, der bei seiner GmbH-Beteiligung eingetreten ist, aufgrund des Wegzugs ins Ausland grundsätzlich versteuern. Diese Versteuerung entfällt jedoch, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren wieder unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig wird; für diesen Wegfall der Besteuerung ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige bei dem Wegzug ins Ausland eine Rückkehrabsicht gehabt hat.

    Hintergrund: Beendet ein Steuerpflichtiger seine seit mindestens zwölf Jahren bestehende unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland, indem er ins Ausland zieht, kann es zu einer sog. Wegzugbesteuerung kommen, wenn der Steuerpflichtige wesentlich an einer GmbH beteiligt ist, also mit mindestens 1 %. Er muss dann die Differenz zwischen dem gemeinen Wert seiner GmbH-Anteile und den Anschaffungskosten versteuern, obwohl er die Anteile gar nicht verkauft hat. Nach dem Gesetz entfällt die Wegzugbesteuerung aber, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland innerhalb von sieben Jahren wieder begründet wird. Das Finanzamt kann diese Frist um höchstens fünf Jahre verlängern, wenn die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht.

    Sachverhalt: Der Kläger war an mehreren GmbHs mit mindestens 1 % beteiligt und zog am 1.3.2014 von Deutschland nach Dubai. In seiner Ende 2015 abgegebenen Einkommensteuererklärung für 2014 machte der Kläger geltend, dass eine Wegzugbesteuerung nicht greife, weil er ab dem 1.1.2016 wieder in Deutschland wohne. Das Finanzamt folgte der Auffassung nicht, weil es eine Rückkehrabsicht des Klägers verneinte.

    Entscheidung: Der BFH gab der Klage, die noch einen weiteren streitigen Punkt betraf, hinsichtlich der Wegzugbesteuerung statt:

    • Die Voraussetzungen der Wegzugbesteuerung lagen zwar an sich vor: Der Kläger war seit mindestens zehn Jahren (aktuelle Rechtslage: mindestens zwölf Jahre) unbeschränkt steuerpflichtig, und er war an mehreren GmbHs wesentlich beteiligt. Damit galt der Wegzug ins Ausland unter Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht als Veräußerung der GmbH-Beteiligungen, die mit dem gemeinen Wert zu bewerten waren.

    • Allerdings ist die Wegzugbesteuerung dadurch entfallen, dass der Kläger innerhalb von fünf Jahren (aktuelle Rechtslage: innerhalb von sieben Jahren) nach seinem Umzug nach Dubai wieder unbeschränkt steuerpflichtig geworden ist. Denn der Kläger ist zum 1.1.2016 wieder nach Deutschland gezogen, so dass er nur vorübergehend abwesend war.

    • Für den Wegfall der Wegzugbesteuerung ist eine Rückkehrabsicht nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass der Steuerpflichtige innerhalb der gesetzlichen Frist wieder nach Deutschland zurückkehrt und hier unbeschränkt steuerpflichtig wird. Die Rückkehrabsicht spielt nur eine Rolle, wenn die gesetzliche Frist vom Finanzamt verlängert werden soll.

    Hinweise: Die Rechtslage hat sich mittlerweile geändert, weil die Wegzugbesteuerung nur greift, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht zwölf Jahre bestand und weil die Wegzugbesteuerung entfällt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von sieben Jahren wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Im Streitjahr 2014 kam es für den Fall der Verlängerung der Frist durch das Finanzamt zusätzlich darauf an, dass der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass berufliche Gründe für seine Abwesenheit maßgebend sind.

    Die sog. Rückkehrerregelung (Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht innerhalb von sieben Jahren nach Wegzug) wird vom BFH zugunsten der Steuerpflichtigen ausgelegt; nach dem aktuellen Urteil muss nämlich nicht ermittelt werden, ob der Steuerpflichtige beim Wegzug ins Ausland eine Rückkehrabsicht hatte. Der BFH widerspricht insoweit der Finanzverwaltung.

    Quelle: BFH, Urteil v. 21.12.2022 - I R 55/19; NWB

  • Spekulationsgewinn bei trennungsbedingtem Verkauf eines Einfamilienhauses

    09.05.23

    Der trennungsbedingte Verkauf des Miteigentumsanteils an den Noch-Ehegatten innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist kann auch dann zu einem steuerpflichtigen Spekulationsgewinn führen, wenn mit dem Verkauf eine vom Noch-Ehegatten angedrohte Zwangsversteigerung verhindert werden soll. Ist der Steuerpflichtige vor dem Verkauf bereits ausgezogen, handelt es sich nicht um den Verkauf einer selbstgenutzten Immobilie, der steuerfrei wäre; dies gilt auch dann, wenn der Noch-Ehegatte und das gemeinsame Kind weiterhin in der Immobilie wohnen.

    Hintergrund: Der Gewinn aus dem Verkauf von Immobilien des Privatvermögens stellt einen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn dar, wenn der Verkauf innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung der Immobilie erfolgt ist. Nach dem Gesetz werden jedoch selbst genutzte Immobilien von dieser Steuerpflicht grundsätzlich ausgenommen.

    Sachverhalt: Der Kläger erwarb 2008 zusammen mit seiner Ehefrau F ein Einfamilienhaus, das sie zusammen mit ihrem gemeinsamen Kind K bewohnten. Im Jahr 2015 zog der Kläger aus, während F und K in dem Haus wohnen blieben. F drohte die Zwangsversteigerung an, falls der Kläger seinen Miteigentumsanteil an dem Haus nicht an sie verkaufen würde. Im Jahr 2017 verkaufte der Kläger seinen Miteigentumsanteil an F mit Gewinn; die Ehe wurde im selben Jahr geschieden. Das Finanzamt erfasste einen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn beim Kläger.

    Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

    • Der Kläger hat seinen Miteigentumsanteil an dem Haus innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist mit Gewinn verkauft. Dieser Verkauf ist auch willentlich erfolgt, auch wenn der Kläger eine Zwangsversteigerung vermeiden wollte. Eine wirtschaftliche oder emotionale Zwangssituation ist für die Entstehung eines Spekulationsgewinns ohne Bedeutung.

    • Der Spekulationsgewinn entfällt auch nicht aufgrund einer Selbstnutzung des Hauses durch den Kläger. Nach dem Gesetz müsste die Selbstnutzung entweder zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung des Hauses oder aber im Jahr der Veräußerung und in den beiden Vorjahren erfolgt sein, damit der Spekulationsgewinn nicht steuerpflichtig ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

    • Der Kläger ist bereits vor der Veräußerung im Jahr 2017 ausgezogen, nämlich im Jahr 2015, und hat das Haus bis zum Verkauf nicht mehr selbstgenutzt. Die Nutzung des Hauses durch sein unterhaltsberechtigtes Kind ist keine Selbstnutzung des Klägers, wenn das Kind zusammen mit seiner Mutter F in dem Haus gewohnt hat. Das Kind gehörte damit nicht mehr zur Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft des Klägers.

    Hinweis: Das Urteil zeigt die Problematik einer Trennung, wenn die Spekulationsfrist noch nicht abgelaufen ist. Der Verkauf des Eigentumsanteils ist nämlich steuerpflichtig, wenn der Verkaufspreis höher ist als die Anschaffungskosten. Es empfiehlt sich in steuerlicher Hinsicht, den Verkauf früher durchzuführen, solange der Auszug noch nicht erfolgt ist.

    Bei der Übertragung einer Immobilie im Rahmen einer Scheidung entsteht keine Grunderwerbsteuer.

    Quelle: BFH, Urteil v. 14.2.2023 - IX R 11/21; NWB

  • Ablehnung eines Erlassantrags durch sachlich unzuständige Behörde

    08.05.23

    Die Ablehnung eines Erlassantrags durch eine sachlich unzuständige Behörde ist rechtswidrig und kann nicht dadurch geheilt werden, dass die sachlich und örtlich zuständige Behörde über den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid entscheidet. Vielmehr muss die sachlich und örtlich zuständige Behörde den Ablehnungsbescheid aufheben und selbst über den Erlassantrag entscheiden. Sollte sie den Erlassantrag ablehnen, kann der Antragsteller hiergegen Einspruch einlegen.

    Hintergrund: Bei der Zuständigkeit wird zwischen der örtlichen und der sachlichen Zuständigkeit unterschieden. Bei der örtlichen Zuständigkeit geht es um die Frage, welche von mehreren sachlich zuständigen Behörden tätig werden darf, z.B. welches von mehreren Finanzämtern eines Bundeslandes die Einkommensteuer festsetzen darf. Bei der sachlichen Zuständigkeit geht es hingegen um die Frage, für welche Aufgaben eine Behörde überhaupt zuständig ist; so darf z.B. das Finanzministerium keinen Steuerbescheid erlassen.

    Sachverhalt: Die Klägerin musste Kindergeld an die Familienkasse in Nordrhein-Westfalen zurückzahlen, weil ihr Kind die Ausbildung vorzeitig beendet hatte. Sie beantragte den Erlass der Rückzahlungsverpflichtung. Hierüber entschied der sog. Inkasso-Service Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit in Recklinghausen, der von der Bundesagentur in Arbeit für das Inkasso und Erlassanträge eingerichtet worden war. Der Inkasso-Service lehnte den Erlassantrag weitgehend ab. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den die Familienkasse in Nordrhein-Westfalen zurückwies. Hiergegen klagte die Klägerin.

    Entscheidung: Der BFH gab der Klägerin im Grundsatz Recht und hob den Ablehnungsbescheid des Inkasso-Service auf:

    • Der Inkasso-Service Familienkasse war für die Entscheidung über den Erlassantrag sachlich unzuständig. Er war nicht die ursprünglich zuständige Behörde, da dies die Familienkasse in Nordrhein-Westfalen war. Die Bundesagentur für Arbeit als Bundesbehörde war nicht berechtigt, die Aufgaben des Erhebungsverfahrens bundesweit bei der Inkasso-Service Familienkasse zu konzentrieren.

    • Der Fehler bei der sachlichen Zuständigkeit konnte nicht durch die Einspruchsentscheidung der sachlich und örtlich zuständigen Familienkasse in Nordrhein-Westfalen geheilt werden. Denn eine derartige Heilung ist nur bei Fehlern in der örtlichen Zuständigkeit möglich, nicht aber bei Fehlern in der sachlichen Zuständigkeit.

    • Eine Heilung des Fehlers ist nur in der Weise möglich, dass die sachlich und örtlich zuständige Familienkasse in Nordrhein-Westfalen als Einspruchsbehörde den rechtswidrigen Ablehnungsbescheid der Inkasso-Service Familienkasse aufhebt und nun selbst über den Erlassantrag entscheidet. Lehnt sie den Antrag ab, kann die Klägerin hiergegen Einspruch einlegen.

    Hinweise: Der BFH hat bereits in der jüngeren Vergangenheit entschieden, dass die Übertragung der Aufgaben des Erhebungsverfahrens im Kindergeldrecht (Vollstreckung, Erlassanträge, Stundungsanträge) auf den Inkasso-Service Familienkasse rechtswidrig war. Hierfür fehlte nämlich eine gesetzliche Grundlage.

    Das aktuelle Urteil zeigt nun auf, wie mit rechtswidrigen Ablehnungsbescheiden umzugehen ist: Sie müssen im Einspruchsverfahren aufgehoben werden, um anschließend eine erneute Entscheidung über den Erlassantrag zu ermöglichen.

    Im Streitfall ist der Ablehnungsbescheid durch den BFH, der die Vorinstanz bestätigt hat, aufgehoben worden, so dass die Familienkasse in Nordrhein-Westfalen über den Erlassantrag entscheiden muss.

    Quelle: BFH, Urteil v. 19.1.2023 - III R 2/22; NWB

  • Umsatzsteuer auf unentgeltliche Wärmeabgabe aus Biogas-Anlage

    05.05.23

    Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss entscheiden, ob die unentgeltliche Abgabe der mit einer Biogas-Anlage erzeugten Wärme an einen anderen Unternehmer als unentgeltliche Wertabgabe (Entnahme) der Umsatzsteuer unterliegt, wenn der mit der Biogas-Anlage erzeugte Strom gegen Entgelt in das Stromnetz eingespeist wird und für die Herstellung der Anlage der Vorsteuerabzug geltend gemacht worden ist. Aus Sicht des Bundesfinanzhofs (BFH), der den EuGH jetzt angerufen hat, könnte die Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe davon abhängig sein, ob der andere Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

    Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Entnahme liegt vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand aus seinem Unternehmen für Zwecke verwendet, die außerhalb seines Unternehmens liegen, z.B. für private Zwecke oder als unentgeltliche Zuwendung.

    Sachverhalt: Der Kläger betreibt eine Biogas-Anlage, mit der er Strom und Wärme produziert. Für die Anschaffung der Anlage machte der Kläger die Vorsteuer geltend. Den Strom speiste er gegen Entgelt in das allgemeine Stromnetz ein. Die Wärme überließ er zwei Unternehmern: zum einen dem Unternehmer A, der die Wärme zur Trocknung von Holz in Containern verwendete, und zum anderen dem Unternehmer B, der mit der Wärme seine Spargelfelder beheizte. Zwar sollten sowohl A und B eine Vergütung an den Kläger zahlen; tatsächlich stellte der Kläger aber weder A noch B ein Entgelt in Rechnung und erhielt daher auch kein Geld von den beiden Unternehmern. Der Kläger erhielt allerdings vom Stromnetzbetreiber einen sog. Kraft-Wärme-Kopplung-Bonus (KWK-Bonus) in Höhe von ca. 85.000 €. Das Finanzamt sah in der unentgeltlichen Überlassung der Wärme eine Entnahme und setzte Umsatzsteuer auf der Grundlage der Selbstkosten des Klägers fest.

    Entscheidung: Der BFH hat nun den EuGH angerufen, damit dieser entscheidet, ob die unentgeltliche Überlassung der Wärme an einen anderen Unternehmer eine umsatzsteuerbare Entnahme darstellt:

    • Nach dem Wortlaut handelte es sich bei der unentgeltlichen Wärmeabgabe um eine unentgeltliche Zuwendung und damit um eine umsatzsteuerbare Entnahme. Zwar hatte der Kläger für die Wärmeabgabe ein Entgelt vereinbart, dieses jedoch nicht in Rechnung gestellt.

    • Allerdings könnte es geboten sein, nur dann eine Entnahme anzunehmen, wenn es ohne umsatzsteuerbare Entnahme zu einem unversteuerten Endverbrauch käme. Die unentgeltliche Überlassung an einen anderen Unternehmer wäre dann nicht zwingend eine Entnahme. Dabei wäre dann weiter zu differenzieren, ob der andere Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (dann keine Entnahme) oder nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist (dann Ansatz einer Entnahme).

    • Außerdem soll der EuGH klären, ob im Fall einer umsatzsteuerbaren Entnahme in die Bemessungsgrundlage nur diejenigen Selbstkosten eingehen, die vorsteuerbelastet sind, oder sämtliche Selbstkosten. Nach dem Gesetz sind die Selbstkosten anzusetzen, weil es keinen Einkaufspreis für die Wärme gab. Denn A und B waren nicht an ein Wärmenetz angeschlossen, das einen Bezug von Wärme von Dritten gegen Entgelt ermöglicht hätte.

    • Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für eine mögliche Entnahme ist vom EuGH ferner die Frage zu beantworten, ob in die Selbstkosten auch Finanzierungsaufwendungen eingehen oder aber nur die unmittelbaren Herstellungs- bzw. Erzeugungskosten. Aus Sicht des BFH ist dies zu verneinen, weil anderenfalls eine einfache Wertbemessung von Entnahmen nicht möglich ist.

    Hinweise: Hätte der Kläger ein Entgelt für die Lieferung der Wärme in Rechnung gestellt, wäre die Lieferung der Wärme umsatzsteuerbar gewesen; möglicherweise hat sich der Kläger aber mit dem KWK-Bonus zufriedengegeben. Hätte der Kläger die Wärme hingegen einfach ungenutzt entweichen lassen, wäre keine Umsatzsteuer entstanden. Das Problem entsteht im Streitfall dadurch, dass der Kläger die Wärme unentgeltlich überlassen hat.

    Die vom BFH im aktuellen Vorabentscheidungsersuchen angesprochenen Lösungsmöglichkeiten weisen zahlreiche Probleme auf: Sollte es nämlich auf den Vorsteuerabzug von A und B ankommen, müsste der Kläger prüfen, ob A und B zum Vorsteuerabzug berechtigt waren, und würde das Risiko einer steuerlichen Fehlbeurteilung tragen. Im Streitfall ist z.B. unklar, ob A und B zum Vorsteuerabzug berechtigt waren oder aber als Kleinunternehmer oder aufgrund einer Pauschalregelung für Forst- und Landwirte nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren.

    Würde man die Entnahme trotz Vorsteuerabzugsberechtigung des A und B der Umsatzsteuer unterwerfen, könnten A und B dennoch keine Vorsteuer abziehen, so dass die Umsatzsteuer nicht mehr neutral wäre.

    Quelle: BFH, Beschluss v. 22.11.2022 - XI R 17/20; NWB

  • Umsatzsteuer-Umrechnungskurse (Stand: April 2023)

    03.05.23

    Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat April 2023 bekannt gegeben.

    Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2023 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.

    Quelle: BMF, Schreiben vom 2.5.2023 - III C 3 - S 7329/19/10001 :005 (2023/0409331); NWB

  • Umsatzsteuerliche Organschaft mit einer GmbH & Co. KG

    03.05.23

    Eine umsatzsteuerliche Organschaft kann nach geänderter Rechtsprechung nicht nur mit einer Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft, sondern auch mit einer GmbH & Co. KG als Organgesellschaft geführt werden, selbst wenn nicht sämtliche Gesellschafter der GmbH & Co. KG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Allerdings muss die GmbH & Co. KG nach allgemeinen Grundsätzen finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein. Beruft sich eine GmbH & Co. KG auf die geänderte Rechtsprechung und möchte sie nunmehr als Organgesellschaft behandelt werden, setzt die Aufhebung der ihr gegenüber ergangenen Umsatzsteuerbescheide nach dem Grundsatz von Treu und Glauben voraus, dass der Organträger einer Erhöhung seiner Umsatzsteuerfestsetzung zustimmt und einen entsprechenden Antrag stellt.

    Hintergrund: Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen (Organgesellschaft) organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist. Die Umsätze des Organträgers und seiner Organgesellschaft werden dann zusammengefasst und nur vom Organträger versteuert, der auch die Vorsteuer der Organgesellschaft geltend macht. Die Organgesellschaft tritt gegenüber dem Finanzamt also nicht auf und schuldet keine Umsatzsteuer. Nach dem deutschen Umsatzsteuerrecht kann nur eine Kapitalgesellschaft eine Organgesellschaft sein.

    Sachverhalt: Kommanditisten der GmbH & Co. KG waren der AV mit 80 % und der SA mit 20 %; Komplementärin war die A-GmbH, an der VA mit 80 % und SA mit 20 % beteiligt waren. VA verpachtete das Betriebsgrundstück und Maschinen an die GmbH & Co. KG. Die GmbH & Co. KG gab zunächst eine Umsatzsteuererklärung für 2010 ab und ging daher nicht von einer Organschaft mit VA als Organträger aus. Am 31.12.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH & Co. KG eröffnet. Der Insolvenzverwalter gab im Jahr 2015 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2010 mit Umsätzen in Höhe von 0 € ab und machte damit eine Organschaft mit VA als Organträger geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab. Hiergegen klagte der Insolvenzverwalter der GmbH & Co. KG.

    Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

    • Entgegen dem deutschen Umsatzsteuerrecht kann auch eine GmbH & Co. KG als sog. kapitalistische Personengesellschaft eine Organgesellschaft sein; dies ergibt sich aus der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der die deutsche Regelung als europarechtswidrig ansieht.

    • Die GmbH & Co. KG war in das Unternehmen des VA eingegliedert: So bestand eine finanzielle Eingliederung, da VA die Stimmenmehrheit an der GmbH & Co. KG hielt. Die GmbH & Co. KG war auch organisatorisch in das Unternehmen des VA eingegliedert, da VA der einzige Geschäftsführer der A-GmbH war, die für die GmbH & Co. KG geschäftsführungs- und vertretungsbefugt war. Schließlich war die GmbH & Co. KG auch wirtschaftlich in das Unternehmen des VA eingegliedert, da VA die wesentlichen Betriebsgrundlagen an die GmbH & Co. KG verpachtet hatte.

    • Zwar könnte sich danach der Insolvenzverwalter der GmbH & Co. KG auf die geänderte Rechtsprechung berufen und eine Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids für 2010 beantragen, weil nur der VA als Organträger die Umsatzsteuer schuldet. Es droht dann aber ein Steuerausfall, weil die Umsatzsteuer des VA ohne dessen Zustimmung nicht mehr erhöht werden kann; VA ist vor einer Anwendung der geänderten Rechtsprechung nämlich durch den gesetzlichen Vertrauensschutz geschützt. Der Insolvenzverwalter der GmbH & Co. KG kann daher nur dann die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides für 2010 mit Erfolg durchsetzen, wenn VA einer Erhöhung seiner Umsatzsteuerfestsetzung für 2010 zustimmt.

    • Dieses Zustimmungserfordernis folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben; denn es wäre treuwidrig, wenn sich die GmbH & Co. KG auf die neue Rechtsprechung stützen würde, um eine Aufhebung ihrer Umsatzsteuerfestsetzung für 2010 zu erreichen, während sich VA auf die bisherige Rechtsprechung und den sich hieraus ergebenden gesetzlichen Vertrauensschutz berufen würde, um eine Erhöhung seiner Umsatzsteuer zu vermeiden.

    Hinweis: Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, damit dieses prüft, ob VA seine Zustimmung zu einer Erhöhung seiner Umsatzsteuer 2010 erteilt. Dabei muss das FG vor allem prüfen, ob die Festsetzungsfrist für VA noch läuft, so dass er die Zustimmung noch erteilen kann, oder ob die Festsetzungsfrist für VA bereits abgelaufen ist. Dies hängt im Ergebnis davon ab, ob es bei Erlass des Umsatzsteuerbescheids 2010 für die GmbH & Co. KG erkennbar war, dass keine Organschaft berücksichtigt wird. Die Prüfung wird möglicherweise schnell durchgeführt werden können, weil nicht zu erwarten ist, dass VA einer Erhöhung seiner Umsatzsteuer 2010 zustimmt, nachdem über das Vermögen "seiner" GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

    Quelle: BFH, Urteil v. 16.3.2022 - V R 14/21 (V R 45/19); NWB

  • Teilnahme eines Prüfers der Gemeinde an einer Außenprüfung des Finanzamts

    02.05.23

    Grundsätzlich darf ein Gemeindeprüfer an einer vom Finanzamt angeordneten und durchgeführten Außenprüfung, die auch die Gewerbesteuer betrifft, teilnehmen. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige Vertragsbeziehungen zu der Gemeinde unterhält und Sorge hat, dass der Gemeindeprüfer Einblick in die Kalkulation erhalten könnte. Diesem Geheimhaltungsinteresse des Steuerpflichtigen kann dadurch Rechnung getragen werden, dass der Außenprüfer des Finanzamts während der Außenprüfung darüber entscheidet, welche Informationen er an den Gemeindeprüfer weitergibt.

    Hintergrund: Nach dem Gesetz sind die Gemeinden berechtigt, an Außenprüfungen der Finanzämter, die die Gewerbe- oder Grundsteuer betreffen, teilzunehmen, wenn die Außenprüfung im Gemeindebezirk erfolgt und der Steuerpflichtige in der Gemeinde eine Betriebsstätte unterhält oder aber Grundbesitz hat.

    Sachverhalt: Die Klägerin war eine im Einzelhandelsbereich tätige GmbH in der Gemeinde X. Sie verkaufte ihre Waren auch an die X. Das Finanzamt ordnete im August 2017 eine Außenprüfung bei der Klägerin an, die u.a. die Gewerbesteuer betraf. In der Anordnung teilte das Finanzamt mit, dass auch der Gemeindeprüfer an der Prüfung teilnehme. Die Klägerin wehrte sich gegen die Prüfungsanordnung mit der Begründung, die Gemeinde könne aufgrund der Teilnahme des Gemeindeprüfers Einblick in ihre Kalkulation erhalten, die ihren Lieferverträgen mit der Gemeinde sowie mit ihren anderen Kunden zugrunde liegt.

    Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt die Prüfungsanordnung für rechtmäßig und wies die Klage ab:

    • Die Gemeinde hat ein gesetzliches Teilnahmerecht an einer vom Finanzamt angeordneten Außenprüfung, wenn diese die Gewerbe- oder Grundsteuer betrifft. Daher ist eine Prüfungsanordnung rechtmäßig, in der der Gemeinde ein Teilnahmerecht eingeräumt wird.

    • Allerdings muss der Außenprüfer des Finanzamts aufgrund des Steuergeheimnisses darauf achten, dass der Gemeindeprüfer nur Informationen erlangt, die die Gewerbe- bzw. Grundsteuer betreffen.

    • Soweit der Steuerpflichtige ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse dahingehend hat, dass die Gemeinde von bestimmten Daten oder Unterlagen nichts erfährt, kann dieses Geheimhaltungsinteresse während der Außenprüfung berücksichtigt werden. So kann der Steuerpflichtige dem Prüfer des Finanzamts konkret mitteilen, welche Unterlagen und Daten dem Gemeindeprüfer nicht offenbart werden sollen. Der Außenprüfer kann dann die Unterlagen und Daten des Steuerpflichtigen in qualitativer Weise auf ihre Vertragssensibilität prüfen und entscheiden, welche Informationen er dem Gemeindeprüfer mitteilt.

    • Sollte sich der Finanzamtsprüfer für eine Weitergabe der – vom Steuerpflichtigen als geheimhaltungsbedürftig angesehenen – Informationen an den Gemeindeprüfer entscheiden, muss er dies durch einen Verwaltungsakt (Bescheid) entscheiden und diesen begründen. Der Steuerpflichtige kann dann gegen den Bescheid Einspruch einlegen und sich hiergegen auch im einstweiligen Rechtsschutz wehren.

    Hinweise: Auch wenn die Klägerin verloren hat, bedeutet dies nicht, dass ihr Geheimhaltungsinteresse irrelevant ist. Die Klägerin muss zwar zunächst die Prüfungsanordnung hinnehmen, kann während der Prüfung aber den Prüfer informieren, welche Unterlagen und Daten sie als geheimhaltungsbedürftig ansieht. Der Prüfer entscheidet dann darüber, ob er diese Unterlagen und Daten der Gemeinde offenbart oder nicht. Falls er die Auffassung des Steuerpflichtigen nicht teilt, muss er diese Entscheidung durch Bescheid treffen, so dass sich der Steuerpflichtige hiergegen rechtlich wehren kann, und zwar auch vorab, wie der Hinweis des BFH auf den einstweiligen Rechtsschutz zeigt.

    Einen generellen Ausschluss des Teilnahmerechts der Gemeinde in der Prüfungsanordnung wegen der Vertragsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Gemeinde lehnt der BFH aber ab, weil dies zu einer faktischen Aushöhlung des gesetzlich geregelten Teilnahmerechts der Gemeinde führen würde. Die Gemeinde müsste ansonsten Vertragsbeziehungen zu den Unternehmen ihrer Gemeinde unterlassen, um einen Ausschluss ihres Teilnahmerechts zu vermeiden; mit einer derartigen Unterlassung würde sie aber gegen ihre eigenen Interessen verstoßen.

    Quelle: BFH, Urteil v. 20.10.2022 - III R 25/21; NWB

  • Anfechtung einer Zinsfestsetzung mit fehlerhaftem Zinslauf

    28.04.23

    Der Steuerpflichtige muss eine Zinsfestsetzung, der ein fehlerhafter Zinslauf zugrunde gelegt worden ist, mit einem Einspruch anfechten. Es genügt nicht, dass er die Einkommensteuerfestsetzung angreift. Unterlässt er die Einlegung eines Einspruchs, kann die Zinsfestsetzung nur korrigiert werden, wenn eine Korrekturvorschrift dies zulässt.

    Hintergrund: Die Höhe der Zinsfestsetzung richtet sich grundsätzlich nach der Einkommensteuer. Die Zinsfestsetzung hängt aber auch von der Dauer des Zinslaufs ab. In der Regel beginnt der Zinslauf 15 Monate nach dem Ende des Veranlagungszeitraums, also z.B. für den Veranlagungszeitraum 01 am 1.4.03; allerdings gibt es derzeit coronabedingte Verschiebungen des Beginns des Zinslaufs. Wird die Einkommensteuer wegen eines rückwirkenden Ereignisses geändert, beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist; diese Regelung gilt seit dem Veranlagungszeitraum 2013 aber nicht bei der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags aufgrund der Nichtdurchführung der Investition.

    Sachverhalt: Der Kläger bildete in den Streitjahren 2007 und 2008 jeweils einen Investitionsabzugsbetrag, führte jedoch in den folgenden drei Jahren die Investition jeweils nicht durch. Das Finanzamt machte daraufhin beide Investitionsabzugsbeträge rückgängig und änderte am 6.5.2013 die Steuerbescheide für 2007 und 2008 entsprechend. Zugleich setzte es Nachzahlungszinsen fest: Dabei legte das Finanzamt den Beginn des Zinslaufs auf den 1.4.2009 (für 2007) und auf den 1.4.2010 (für 2008) fest. Der Kläger legte innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch „gegen die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer“ ein. Am 30.12.2013 wandte er sich auch gegen die Zinsfestsetzung. Der Einspruch hatte keinen Erfolg, so dass der Kläger die Änderung der Zinsfestsetzung beantragte.

    Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage auf Änderung der Zinsfestsetzung ab:

    • Allein die Anfechtung der Einkommensteuerfestsetzung führte nicht zu einer Änderung der Zinsfestsetzung. Zwar ist die Höhe der Einkommensteuer maßgeblich für die Höhe der Zinsen; die Einkommensteuerfestsetzung hat aber keine Bindungswirkung für den Beginn des Zinslaufs.

    • Eine Korrektur der Zinsfestsetzung hätte eine Korrekturvorschrift vorausgesetzt, die es im Streitfall aber nicht gab. So schied eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit aus, weil das Finanzamt bewusst den regulären Zinsbeginn, der 15 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums beginnt, in dem Zinsbescheid angesetzt hat. Bei einer bewussten Rechtsanwendung liegt keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne eines Schreib- oder Rechenfehlers vor. Weitere Korrekturvorschriften waren nicht einschlägig.

    • Der Einspruch hätte zwar eine Minderung der Einkommensteuer bewirken können, weil nach damaliger Rechtslage bei einem rückwirkenden Ereignis wie der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags der Zinslauf möglicherweise erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, begann; dies wäre der 1.4.2012 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2007 und der 1.4.2013 für den Investitionsabzugsbetrag des Jahres 2008 gewesen. Aber der Einspruch des Klägers richtete sich nur gegen die Einkommensteuerfestsetzung sowie gegen den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer, nicht jedoch gegen die Zinsfestsetzung. Erst nach Ablauf der Einspruchsfrist, nämlich am 30.12.2013, wandte sich der Kläger gegen die Zinsfestsetzung.

    Hinweise: Der Fall zeigt, dass im Zweifel auch gegen die Zinsfestsetzung Einspruch eingelegt werden sollte. Ein Einspruch kann gebührenfrei eingelegt werden, da der Staat keine Gebühren bei Einlegung eines Einspruchs erhebt.

    Seit dem Veranlagungszeitraum 2013 beginnt der Zinslauf bei Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags 15 Monate nach dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Investitionsabzugsbetrag gebildet worden ist. Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 beläuft sich der Zinssatz nur noch auf 1,8 % und nicht mehr auf 6 %.

    Quelle: BFH, Urteil v. 13.12.2022 - VIII R 16/19; NWB

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