11.10.24
Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann anzunehmen sein, wenn der Gesellschafter einen Aufwand, den er üblicherweise tragen müsste, nicht tragen muss, weil die GmbH die Aufwendungen trägt und gegenüber dem Gesellschafter keinen Ersatzanspruch geltend macht.
Hintergrund: Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt bei einer Vermögensminderung oder auch verhinderten Vermögensmehrung einer Kapitalgesellschaft vor, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und nicht zu einer offenen Gewinnausschüttung gehört. Die verdeckte Gewinnausschüttung erhöht das Einkommen der Kapitalgesellschaft. Ein typisches Beispiel für eine verdeckte Gewinnausschüttung ist ein überhöhtes Gehalt für den Gesellschafter-Geschäftsführer oder die Gewährung eines zinslosen Darlehens an den Gesellschafter.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH und gehörte zu einem U.S.-amerikanischen Konzern; Konzernmutter war die X. Die Klägerin schloss in den Jahren 2004 und 2006 Verträge mit dem in Venezuela ansässigen Unternehmen Y. Im Jahr 2007 beschlossen die USA ein Wirtschaftsembargo gegenüber Venezuela. Die X forderte nun die Klägerin zur vorzeitigen Beendigung der mit Y geschlossenen Verträge auf. Daraufhin erhob Y eine Schadensersatzklage gegen die Klägerin; das Verfahren wurde ab 2009 als Schiedsverfahren fortgeführt. Die Klägerin musste im Streitjahr 2011 Verfahrenskosten für das Schiedsverfahren zahlen und bildete bereits ab 2009 eine Rückstellung in ihrem Jahresabschluss für die drohende Schadensersatzverpflichtung, die sie in den Folgejahren 2010 und 2011 erhöhte. Im Jahr 2012 kam es zu einem Vergleich. Das Finanzamt sah in der Zahlung der Verfahrenskosten sowie in der Zuführung zur Rückstellung im Jahr 2011 eine verdeckte Gewinnausschüttung und begründete dies damit, dass die Stornierung der Verträge allein im Interesse der X gelegen habe.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine verdeckte Gewinnausschüttung für denkbar und verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zurück:
Allein die Zahlung der Verfahrenskosten im Jahr 2011 oder die Zuführung zur Rückstellung wegen einer drohenden Schadensersatzverpflichtung führte nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Denn sowohl die Verfahrenskosten als auch die drohende Schadensersatzpflicht beruhten auf einer eigenen rechtlichen Verpflichtung der Klägerin gegenüber einem fremden Dritten (Justizkasse bzw. Y). Daher war eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis zu verneinen.
Denkbar ist jedoch der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung unter dem Gesichtspunkt einer Aufwandsersparnis der X. An sich hätte die Konzernmutter der Klägerin die Verfahrenskosten tragen und den Schadensersatz an die Y leisten müssen, weil die X die Klägerin zur Stornierung der Verträge veranlasst hat. Dadurch, dass die Klägerin die Kosten tragen musste und keinen Erstattungsanspruch gegen die X geltend gemacht hat, hat sich die X eigenen Aufwand erspart. Diese Ersparnis war durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und hat bei der Klägerin eine Vermögensmehrung verhindert.
Die verdeckte Gewinnausschüttung ist in dem Jahr anzusetzen, in dem der Erstattungsanspruch hätte bilanziert werden müssen. Dies war hinsichtlich der im Jahr 2011 gezahlten Verfahrenskosten sowie der im Jahresabschluss 2011 vorgenommenen Zuführung zur Rückstellung das Streitjahr 2011.
Hinweis: Der BFH gab der Klage aber nicht statt, sondern verwies die Sache an das Finanzgericht zurück, weil die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis noch nicht abschließend feststand. Es ist nämlich denkbar, dass die Stornierung der Verträge nicht von der X ausging, sondern aus dem U.S.-amerikanischen Embargo folgte, da die Klägerin zu einem U.S.-amerikanischen Konzern gehörte. In diesem Fall wären die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung zu verneinen. Das Finanzgericht muss nun prüfen, ob sich die Verpflichtung zum Vertragsbruch aus dem Embargo ergab.
Quelle: BFH, Urteil vom 22.5.2024 – I R 2/21; NWB